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Texte / 2008

bankleer, Portrait und Ausstellungsbeschreibung von Walter Seidl (Wien), artist-folder, Künstlerstätte Bleckede 2007 (eng/deu)

Die Berliner KünstlerInnengruppe bankleer verhandelt in ihren Performances, Videos und installativen Ausstellungsmomenten die unverhältnismäßige Formkraft des kapitalistischen Prozesses, die mit ökonomischen Versuchen der Ein- und Ausgrenzung als Resultat einer neoliberalen Nivellierung gesellschaftlicher Verhältnisse einhergeht.

Der wesentliche Aspekt aktueller Formen des globalen Kapitalismus besteht in jener Dualität von freiwillig und unfreiwillig prekarisiertem Leben. Während sich ersteres auf neoliberale Formen des neuen Selbständigen bzw. auch des KünstlerInnendaseins bezieht, gilt bankleers Aufmerksamkeit jener zweiten Art existenzialistischen Daseins, einer in einem marginalisierten sozialen Raum agierenden Bevölkerungsschicht. Die Darstellung jener psychosozialen Elemente, die vor allem die Zonen des Unbewussten berühren und die tägliche Existenz zu einem verstörenden Bild von Realität werden lassen, führt bankleer an die Grenze der Wahrnehmung von realen und fiktionalen Begebenheiten.

Zentrales Element in einigen von bankleers Installationen und Performances sind hypertrophe Wesen, die sich aus der menschlichen Gestalt ableiten, den Raum des Realen aber bereits verlassen haben, um als substanzlose Erscheinungen mit ihren übrig gebliebenen Körperresten weiter zu leben. bankleer beziehen sich hier vor allem auf die Thesen von Slavoj Žižek, für den sich aktuelle politische Entwicklungen als nicht zweckgebundene Phänomene mit schauderhaften Auswirkungen im realen Leben manifestieren.

Eine zentrale Performance aus 2005, die auch in einem Video resultierte – dereguliert I – zeigt Affen, die mit Pappschildern und Slogans auf deregulierte Arbeitsverhältnisse und einen inhumanen Neoliberalismus verweisen. Theorie wird hier mit gekonnter Bildsprache verbunden, wodurch die tierische Gefangenheit auf das nicht unweit davon entfernte, zunehmend kontrollierte und überwachte menschliche Dasein übergreift.

Der totale Kontrollverlust zeigt sich schließlich im Video Reale Reste von 2006, das in einer Installation beim Steirischen Herbst im Forum Stadtpark Graz erstmalig gezeigt wurde. Eine schwarze Ziegelmauer, von einem Loch durchbrochen, gewährt Einblick in das in einer Höhlensituation gezeigte Video. Eine sich auf der Kehrseite des Neoliberalismus befindende Person versucht aus ihrer Umgebung auszubrechen und gerät dabei in das Reich der Zombies, der Untoten, die sich in Žižekscher Manier in jenem luftleeren Raum wieder finden, der dem Zustand aktueller prekarisierter und deregulierter Lebensweisen entspricht. In Anlehnung an Giorgio Agambens Theorien zum Ausnahmezustand befinden sich die ProtagonistInnen in bankleers Video in einem rechtsfreien Raum, einer Zone der Anomie, in der das Verhältnis zwischen Privatheit und Öffentlichkeit aufgelöst ist und lediglich ein unmenschliches Zwischenstadium des Seins übrig bleibt.

Walter Seidl