Künstler schaffen „Friedensschauplätze“, Volker Thomas, Goetheinstitut, 2010
Konflikte sind jeden Tag in den Nachrichten. Krieg ist sichtbar – Friedensarbeit dagegen ist langwierig, schlecht darstellbar und meist wenig spektakulär. Frieden ist nicht einfach Abwesenheit von Krieg. Er ist ein Prozess. Und der beginnt manchmal ganz bescheiden mit einer künstlerischen Arbeit, mit einer besonderen Initiative, an einem entlegenen Ort. „Friedensschauplätze“ – eine Ausstellung der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin.
Nairobi, Kenia. In dem eine Million Einwohner fassenden Slum Kibera bemalt der Künstler Solomon Muyondo („Solo7“) Wände, Türen, Wellblechhütten mit einem Wort: „Peace“. Es war nach den Wahlen 2007. Ein korrupter Kandidat schien gewonnen zu haben, seine Gegner begannen wütend auf der Straße Häuser abzufackeln, Geschäfte zu plündern – bis auf die, die „Solo7“ angemalt hatte.
München, Ort der jährlichen Sicherheitskonferenz, eines Treffens hochrangiger Militärs, Politiker und Rüstungsindustrieller aus aller Welt. Der Regisseur Stefan Kaegi (Rimini Protokoll) inszeniert in den Kammerspielen eine „Raubkopie“ der Konferenz. Er lässt die Zuschauer an Planspielen, Waffenvorführungen, an per Computer simulierten Roboterkriegen teilnehmen. Aus der realen Welt sind eine Schneiderin aus Somalia dabei, eine Soldatin aus Afghanistan, ein Reporter von der Kriegsfront. – Mittelmeer, Meerenge von Gibraltar. Die Künstlerinitiative „Zentrum für Politische Schönheit“ plant das „Seerosenprojekt“, eine Antwort auf das Sterben der Flüchtlinge im Mittelmeer. 1.000 schwimmende, fest verankerte Rettungsinseln wollen die Künstler errichten. Sie sind unter anderem ausgerüstet mit Lebensmitteln, Wind- und Regenschutz, Positionslichtern und Sonnensegel.
Keine weiße Taube
Drei von 28 künstlerischen Projekten, die Frieden voranbringen sollen: Kartografen haben exakte Pläne gezeichnet, wie ein Militärstützpunkt in einen friedlichen Bauernhof umgewandelt wird. Palästinensische und israelische Filmemacher haben zusammen auf die Trennwand zu den palästinensischen Gebieten eine Ansicht der je anderen Seite projiziert – für eine Nacht schien die Mauer verschwunden. Rüstungsgegner decken auf, dass der Leipziger Flughafen militärisch genutzt wird und gehen damit in die Medien.
Friedenssymbole wie Picassos berühmte weiße Taube, zu Pflugscharen geschmiedete Schwerter, Blumen in Gewehrläufen sucht man in diesen Räumen vergebens. Karin Kasböck zeigt auf ein Foto mit mehreren Hämmern. „Die stammen von den Pitstop Ploughshares aus Irland und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Mit diesen Hämmern zerschlagen die Friedensaktivisten Waffen, Kriegsgerät, legten Transportfahrzeuge und Flugzeuge lahm.“
Karin Kasböck hat zusammen mit ihrem Team die Künstlerinnen und Künstler für diese Ausstellung in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst gewonnen und über ein Jahr lang Beiträge gesammelt. Sie arbeitet unter dem Namen „bankleer“ (Videokunst, Performance) mit Christoph Leitner zusammen. Außerdem gehören zum Team die Architektin Anke Hagemann und der Kunsthistoriker Dietrich Heißenbüttel.
Die Macht über die Bilder
„Wenn Sie sich die bewaffneten Auseinandersetzungen auf der Welt ansehen, handelt es sich dabei meist um Konflikte, in denen nur eine Seite die Deutungshoheit hat, wie bei Israel und Palästina“, erklärt Karin Kasböck das Konzept der Ausstellung. „Es sind asymmetrische Konflikte. Wo eine Seite alle Bilder und Informationen kontrolliert, versucht die andere häufig mit Gewalt Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aus dieser Spirale der Gewalt wollen wir raus, wollen andere Strategien anbieten, um Sichtbarkeit zu erzeugen und zu friedlichen Lösungen zu gelangen.“
Es bleibt nicht bei Videoinstallationen, Bildern und Skulpturen. Das 2003 gegründete Theaterprojekt „Espace Masolo“ in Kinshasa bietet Straßenkindern und ehemaligen Kindersoldaten eine Perspektive, die über Unterkunft und elementare Schulbildung hinausgeht. Die Kinder und Jugendlichen können ihre Traumata in Workshops, Marionetten- und Maskentheateraufführungen kreativ verarbeiten. Unterstützt wird das Projekt von europäischen Initiativen wie dem Straßburger „Tohu-Bohu Théatre“. In Berlin hat das Theater seine Stücke in der Ausstellung vor Schulklassen aufgeführt.
Bloggen gegen Blockaden
Ein Schwerpunkt ist der palästinensisch-israelische Konflikt. „Heute fällt gerade hier die Suche nach Friedensschauplätzen doppelt schwer“, sagt Karin Kasböck. „Die Israelis haben mit ihrer Segregations- und Blockade-Politik die Kontakte untereinander abgebrochen. Wenn keine persönliche Kommunikation möglich ist, wird es für die Aktivisten auf beiden Seiten schwer, denn der direkte Kontakt ist die Basis für alle Friedensbemühungen.“ Die Videos und Fotografien aus der Nahostregion zeigen unter anderem die regelmäßigen Demonstrationen gegen die Trennmauer. Der in Israel geborene Maler und Fotograf David Reeb hat unter Verwendung solcher Filmaufnahmen großformatige Gemälde hergestellt, die besondere Szenen herausheben.
Oreet Ashery und Larissa Sanour – in Ost- und West-Jerusalem geboren – stellen den Comicroman The Novel of Nonel and Vovel vor. Zwei Superheldinnen gelingt darin etwas, das bisher keiner schaffte: den Nahost-Konflikt zu lösen. – Mazen Kerbaj stellte sich 2006 im Libanon-Krieg mit der Trompete auf den Balkon seiner Wohnung und zeichnet die Bombenabwürfe mit seiner Musik zusammen auf. Die Töne stellt er in seinen Blog, dazu sarkastische Zeichnungen und Kommentare. Der Blog erregt weltweit Aufsehen – Musikerfreunde aus der ganzen Welt senden Solidaritätsadressen. Karin Kasböck: „Damit hat er dem Krieg eine Gegenöffentlichkeit entgegengesetzt.“
Die Ausstellung, die am 13. Juni 2010 zu Ende gegangen ist, soll in den folgenden Monaten weiter wandern. „Dafür suchen wir aber noch Kooperationspartner“, sagt die Kuratorin. „Wir würden gerne mit unseren Objekten auch nach Afrika oder in den Nahen Osten gehen.“
Volker Thomas